Am 20. November 2022 startet die Herren-Fußballweltmeisterschaft in Katar. Die britische Tageszeitung „The Guardian“ hat dazu recherchiert und festgestellt, dass während der Arbeiten zur Vorbereitung teils sklavenähnliche Bedingungen geherrscht haben und rund 6.500 Arbeiter*Innen dabei ums Leben gekommen sind. Die Freund*innen der Friedhofstribüne haben daher beschlossen, die diesjährige fairplay – Aktionswochen unter das Motto „Arbeitsrechte sind Menschenrechte“ zu stellen und rufen dazu auf die Herren-WM in Katar zu boykottieren.
Aber auch in Österreich muss um Arbeitsrechte ständig gekämpft werden!
In Österreich gibt es Gesetze, Verordnungen und Kollektivverträge, die die Rechte von Arbeitenden schützen (sollen). Die ersten Gesetze hierzu wurden 1842 (Verbot von Fabriksarbeit für unter 9-jährige) erlassen, die größten Fortschritte wurden erreicht, als sich die Lohnarbeiter*innen begonnen haben, sich parteipolitisch und gewerkschaftlich zu organisieren, was erst ab 1870 erlaubt wurde. Durch den großen Druck der auf der Straße ausgetragen wurde, konnten ab 1918 und in den darauffolgenden Jahren die Rechte der Lohnarbeiter*innen in Gesetze gegossen werden, die zum Großteil heute noch (nahezu unverändert) gelten – u.a. wurde die Arbeiterkammer eingerichtet und der 8-Stundentag, Urlaubsanspruch, das Betriebsrätegesetz, Verbot der Kinderarbeit, das Angestelltengesetz sowie das Kollektivvertragssystem eingeführt.
Ein klassisches Vollzeit-Dienstverhältnis ist also gesetzlich grundsätzlich gut abgesichert, aber zu den ohnehin schon komplexen Gesetzen und Verordnungen kommen noch komplexere Kollektivverträge dazu, in denen sich die erwerbstätige Bevölkerung zurechtfinden soll. Man kann bei Vergehen sein Recht mit Hilfe der Arbeiterkammer vor Gericht einfordern, aber viele Vorgaben haben einen größeren Interpretationsspielraum und nicht jede*r will sich mit finanzstarken Arbeitgeber*innen vor Gericht über Jahre hinweg anlegen.
Atypische Beschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse
Dazu kommt, dass vor allem in den letzten 20 Jahren sogenannte „atypische Beschäftigungsformen“ stark angestiegen sind. Darunter fallen alle Arbeitsbeziehungen, die keiner unbefristeten Vollzeitbeschäftigung und deren sozialrechtlichen Absicherung entsprechen, also Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, Arbeitskräfteüberlassung, Befristungen, freie Dienstverträge, „neue Selbstständige“ (Werkverträge) oder digitale Arbeitsformen wie „crowdwork“ oder „cloudwork“.
Diese Arbeitsformen sind (in der richtigen rechtlichen Auslegung) weder verboten noch per se schlecht für die Arbeitnehmer*innen, sie können für manche Personen vor allem über einen gewissen Zeitraum (während Ausbildung, Studium, Übergang zur „echten“ Selbstständigkeit) einen tatsächlichen Vorteil bringen. Oft wird diese vermeintliche Flexibilität aber in der Realität von der Arbeitgeberseite bestimmt und die Arbeitsform lediglich dazu genutzt, die bestehenden Gesetze zu umgehen. Anstatt sich die Arbeit frei einteilen zu können oder die Arbeitszeit der Lebenssituation entsprechend anzupassen, können atypische Beschäftigungen zu einer prekären Arbeitssituation führen, in der die Arbeitnehmer*innen mit dem Einkommen kein würdiges, selbstbestimmtes Leben gestalten können oder sie aufgrund befristeter Verträge oder Werkverträgen zu einer immer wiederkehrenden Arbeitslosigkeit bzw. einem ständigen Gefühl der Unsicherheit und Angst leben.
Der abgesicherte Standard eines klassischen, abgesicherten Vollzeitjobs ist längst nicht mehr der Standard. Mittlerweile sind nur mehr 2/3 der unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse unbefristete Vollzeitanstellungen. Valide Zahlen bzgl. Werkverträge oder Crowdworking gibt es momentan nicht – aber diese sogenannte „Gig-Economy“, in der Personen in eine Scheinselbstständigkeit gezwungen werden (zB Paketdienste, Essensauslieferer, Personen in der IT- oder Marketingbranche,…), ist stark am steigen.
Initiative „undok“
Neu im österreichischem Arbeitsrecht sind die Regelungen für Asylwerber*innen, die einer Erwerbsarbeit in Österreich nachgehen wollen. Hier gibt es noch sehr viele Graubereiche und die Situation der Asylwerber (schlechte Sprachkenntnisse, fehlendes Wissen über bestehende Arbeitsrechte, Angst vor Verlust des Asylstatus,…) wird von den Arbeitgeber*innen oft ausgenutzt. Hier wurde von mehreren Fachgewerkschaften, der Arbeiterkammer Wien, von NGOs, Aktivist*innen,… die Initiative „undok“ gestartet, die Rechte dieser Personengruppe einzufordern – für die wir im Rahmen dieser Aktionswoche auch finanzielle Unterstützung sammeln.
Situation in Österreich
Seit den 70er-Jahren hat es keine wesentlichen Verbesserungen im Arbeitsrecht gegeben, ganz im Gegenteil. Die Arbeitszeit wurde ausgeweitet, seit mittlerweile Jahrzehnten leben wir mit einem Reallohnverlust, Unternehmen umgehen nahezu ungehindert bestehende Arbeitsrechte, das Niveau wird durch das Ausbeuten von Asylwerber*innen und dem „Import von Fachkräften aus Drittstaaten“ nachhaltig untergraben und durch die Steuern und Abgaben der Erwerbstätigen werden die Gewinne von Konzernen subventioniert. „Echte“ Einzelpersonenunternehmen und Kleinbetriebe wurden hier noch gar nicht erwähnt, aber auch hier hat sich die Situation keinesfalls verbessert. Es sei hier nur angemerkt, dass ein Ausspielen von Erwerbstätigen und Kleinbetrieben nur dazu führt, die Kluft von Arm und Reich zu vergrößern.
Was dagegen tun?
Es reicht! Es wird Zeit, dass wir wie damals unser Recht gegenüber den Unternehmen, den Konzernen und den Superreichen auf der Straße einfordern. Dass die Situation der Ärmsten verbessert wird – und nicht, dass das Niveau der Mehrheit zu Gunsten weniger gesenkt wird.
Konkret könnt ihr
– bei unserer heurigen Kästchenaktion für UNDOK spenden (https://undok.at/)
– euch wenn ihr betroffen seid bei den anstehenden Streiks der div. Branchen anschließen
– bei Demonstrationen teilnehmen, zB „Soziale Arbeit ist mehr wert!“ am8.11.2022
– euch bei der Arbeiterkammer oder Fachgewerkschaft informieren, wenn ihr euch ungerecht behandelt fühlt
– Mitarbeiter*innen aufklären, bei denen ihr gesetzeswidriges Verhalten seitens der Arbeitgeber*innen seht
…und am wichtigsten: euch solidarisieren! Nur gemeinsam kann man etwas
bewegen!
Links:
https://undok.at/de/ueber-uns/
https://wien.arbeiterkammer.at/kontakt-arbeitsrecht
https://www.oegb.at/gewerkschaften
https://www.fairplay.or.at/projekte/unser-spiel-fuer-menschenrechte
https://www.amnesty.de/informieren/laender/katar