„Der Sportklub hat keine Juden unter seinen Mitgliedern; er hat zwar nicht den berühmten und berüchtigten Arierparagraphen in seinen Satzungen, die verschiedenen Wurzeln des Vereines sind aber selbst auf demselben Standpunkte gestanden. So hat sich eine vieljährige Tradition herausgebildet, die stärker ist als ein gedrucktes Wort und heute bereits in Wien als eine Selbstverständlichkeit angesehen und respektiert wird.“
Mit diesen Worten veranschaulichte das Illustrierte Sportblatt am 29.07.1922 die antisemitische Grundausrichtung unseres Wiener Sport-Clubs. Wir Fans, als Aushängeschild und soziokulturelles Herz des Fußballs, haben nicht nur die Verantwortung, das Selbstverständnis des Vereins weiterzutragen, sondern auch über die Vereinsgrenzen hinweg in die Gesellschaft politisch zu wirken. So lässt sich das obige Zitat auch im Fanzine der FHT „Schwarz auf Weiss“ (Ausgabe: Oktober 2019) finden, das sich damals den antisemitischen Wurzeln des WSC widmete. Das heutige Heimspiel ist Teil einer Aktionswoche gegen Antisemitismus.
Auch dieses Jahr nehmen die Freund*innen der Friedhofstribüne an den alljährlichen Fairplay-Aktionswochen (ehemals FARE Aktionswochen) für Vielfalt im Sport teil. Daher nutzen wir den heutigen Spieltag, um geschlossen die Botschaft zu vertreten: „Gemeinsam gegen Antisemitismus“.
Neben dem Banner, das heute während des Spiels präsentiert wird, findet auch wieder der schon fast traditionelle „Kästchenverkauf“ statt, dessen Einnahmen in diesem Jahr Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) zukommen werden. Weitere Aktionen im Rahmen unseres Aktionswochen-Schwerpunkts sind der geführte Besuch der Ausstellung „Superjuden: Jüdische Identität im Fußballstadion“ (noch bis 14. Januar), Teilnahme an der Kundgebung zur Reichspogromnacht am 9. November und die Teilnahme der FHT an der 2×11 Diskussionsrunde zum Thema „Antisemitismus im Fußball“ am 4. Dezember in der VHS Hernals.
Es ist der FHT seit Jahren ein Anliegen, sich gegen Intoleranz und menschenverachtende Ideologien einzusetzen und wir nutzen daher die Aktionswochen regelmäßig, um im Schulterschluss mit Fairplay und Sportvereinigungen sowie der Fanszenen in ganz Österreich, ein Zeichen für Verständnis und Toleranz und gegen Hass und Hetze zu setzen.
Als wir im Sommer überlegten, welchen Schwerpunkt wir diesmal legen wollen, war uns nicht bewusst, dass wir mit der Schwerpunktwahl leider an Aktualität noch übertroffen werden konnten. Regelmäßige Zustandsberichte über die steigende Zunahme von antisemitischen Ressentiments in Österreich und darüber hinaus allein hätten bereits unseren Schwerpunkt „Gemeinsam gegen Antisemitismus“ ausreichend begründet. Nicht absehbar jedoch war die Eskalation im Nahen Osten. Mit den entsetzlichen Angriffen der Hamas auf Israel haben antisemitische Vorurteile Hochkonjunktur. Die israelische Regierung reagiert nun mit Luftangriffen auf den Gazastreifen. Die kosten tausende weitere Menschenleben, machen aber niemanden der von der Hamas ermordeten Menschen wieder lebendig.
Wir möchten uns daher den Worten Fairplays anschließen und nicht nur unsere volle Solidarität mit den Menschen in Israel, die dem Hass der Hamas zum Opfer fallen, und jenen, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzen, bekunden, sondern insbesondere auch all jenen, die hier in Österreich alltäglich mit Angriffen rechnen müssen – nur weil sie Jüd*innen sind. Gleichzeitig wehren wir uns gegen jene Politiker*innen, die den Kampf gegen Antisemitismus nun instrumentalisieren, um das Asylrecht weiter zu verschärfen und Menschen ohne österreichischen Pass zu kriminalisieren.
Unser Einsatz gegen Antisemitismus in seinen vielfältigen Erscheinungsformen ist wie oben gesehen aber auch für Anhänger*innen des Wiener Sportclubs historische Verpflichtung und darf sich nicht auf die „Freund*innen der FHT“ beschränken, sondern ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen, wie uns unsere Vereinsgeschichte lehrt. So kann zu diesem Zeitpunkt festgehalten werden, dass der Wiener Sport-Club vor knapp einhundert Jahren ein bürgerlich deutschnationaler, streng antisemitischer Honoratiorenverein war, der es „nicht nötig hatte“ den sogenannten Arierparagraphen einzuführen, da „selbstverständlich“ war, dass Jüd*innen hier keinen Platz haben würden.
Dieser „Selbstverständlichkeit“ mit aller Macht zu begegnen und sich einzumischen und lautstark für eine friedliche Koexistenz aller Menschen frei von Hass und Hetze einzutreten, gilt nicht nur heute: Antisemitismus darf weder auf diesem Platz noch sonst irgendwo einen Raum haben!