Als Mitglied eines Vereins tendiert man gerne dazu, die eigene Vergangenheit in einem weicheren Licht zu sehen. Es ist daher immer etwas schmerzhaft, sich mit den dunklen Seiten der eigenen Vereinsgeschichte zu beschäftigen. Aber gerade deswegen sehen es die Freund_innen der Friedhofstribüne als Verpflichtung an, kritisch zurückzublicken. Wenn sich der Sport-Club auf seine über 130-jährige Geschichte beruft und das tut er und auch wir als Freund_innen der Friedhofstribüne gerne, dürfen auch die weniger angenehmen Seiten des Vereins nicht verschwiegen werden. Wer die Erfolge feiert, darf die dunklen Kapitel nicht vergessen.
Die eigene Geschichte ist eben nicht nur eine der sportlichen Erfolge und Misserfolge, sondern auch ein Spiegelbild der Zeit, eine soziale und politische Geschichte. Niemals ist ein Verein eben nur und ausschließlich dem Sport verpflichtet. Sport ist immer auch Politik, wenn auch nicht zwingend Parteipolitik. Das zeigt sich besonders am Wiener SportClub und seiner Entwicklung vom bürgerlich deutschnationalen, streng antisemitischen Honoratiorenverein zum heutigen Stadtteilverein mit alternativem Image. Der Wiener Sport-Club war lange ein zutiefst antisemitischer Verein, auch wenn es bis 1938 nach derzeitigem Wissensstand keinen sogenannten Arierparagrafen gab. Juden wurden hier nicht Mitglied. Dazu ein Zitat aus dem Illustrierten Sportblatt vom 29.7.1922: „Der Sportklub hat keine Juden unter seinen Mitgliedern; er hat zwar nicht den berühmten und berüchtigten Arierparagraphen in seinen Satzungen, die verschiedenen Wurzeln des Vereines sind aber selbst auf demselben Standpunkte gestanden. So hat sich eine vieljährige Tradition herausgebildet, die stärker ist als ein gedrucktes Wort und heute bereits in Wien als eine Selbstverständlichkeit angesehen und respektiert wird.“ Es war also eine Selbstverständlichkeit, dass der WSC keine Juden aufnahm. Der WSC war damit im Wiener Spitzenfußball ein Unikum, in faktisch allen anderen Vereinen der obersten Ligen waren jüdische Wiener in den verschiedensten Funktionen tätig. Ganz anders als zum Beispiel in den Bundesländern, wo Juden ebenfalls von vielen Fußballvereinen ausgeschlossen waren.
Der Antisemitismus der 20er- und 30er-Jahre zeigt wie schnell der Weg von Ablehnung, Vorurteilen, der Betonung vermeintlicher Unterschiede über Abwertung, Ausschluss, Verachtung hin zu Gewalt, Mord und Vernichtung ist. Auch der Wiener Sport- Club hat dazu einen Beitrag, wenn auch einen kleinen, geleistet, Antisemitismus selbstverständlich zu machen. Dieser bürgerliche Antisemitismus Luegerscher Prägung, tief verwurzelt in der christlichsozialen und den deutschnationalen Parteien Österreich-Ungarns und der Zwischenkriegszeit, war eine Vorbedingung für den viel radikaleren, von Vernichtungswillen getragenen Antisemitismus der Nationalsozialisten.
Die Lehre aus der eigenen Geschichte kann nur Offenheit und Toleranz und Widerstand gegen Intoleranz, Rassismus und Diskriminierungen jeglicher Form heißen. Antirassismus und demokratische Mitbestimmung dürfen – man sehe sich nur die aktuelle Weltlage an – nie als selbstverständlich angesehen werden. Offenheit und Toleranz, Antirassismus, Antisexismus, Antihomophobie und der Kampf gegen Antisemitismus müssen immer wieder neu verhandelt, neu gedacht und teilweise auch neu erkämpft werden, auch gegen die Bequemlichkeit im eigenen Verein. Antisemitismus darf auf diesem Platz nie wieder einen Platz haben.
#fareactionweek
Mehr dazu auch im neuen schwarz auf weiss und auf unserem Bezirksrundgang am 10.11 (13.00 Uhr Treffpunkt Vorplatz U6 Josef Städter Strasse)
Aus unserer Geschichte gelernt – gegen jeden Antisemitismus.