Gloryhunting ohne Glory – dafür wird alles frittiert!

Zwischendurch und weil Saure-Gurken-Zeit ist, was Sportclub & Ostliga betrifft, mal wieder ein paar Zeilen über einen Ausflug in fremde Gefilde – Liverpool ist der Schauplatz des Geschehens.

Wer jahrelang auf den Sportclub-Platz geht, der darf auch mal erkunden, wie sich Gloryhunting so anfühlt. Und so wird der Weg des geringsten Widerstands gegangen, die Fanreise nach Liverpool, Sehnsucht meiner Kindheitsträume, gebucht – als Konzession an das schlechte Gloryhunting-Gewissen wird dann aber nicht Real Madrid oder Chelsea gebucht, nein, Hull City am 25.10. sollte es werden (die nationalfeiertägliche Gulaschkanone am Heldenplatz wird somit traditionell verpasst – die Trauer darob hält sich – wie alljährlich – in sehr überschaubaren Grenzen).

Am Ankunftsflughafen Manchester muss aufgrund eines knapp verpassten Anschlusszuges noch etwas länger verweilt werden, bevor der nächste Zug seinen Zweck erfüllt – die Infrastruktur-Offensive der ÖBB fällt jetzt aber so richtig auf. Man ist versucht nachzusehen, ob beim Antrieb des Zuges nicht die gute, alte Fred Feuerstein Methode In Liverpool angekommen wird erst mal Punkt 1 abgehakt – Fish & Chips (yes, we’re tourists). Zwei Schritte weiter – Queen’s Square. Die Fußballkultur in dieser Stadt ist unübersehbar – der erste von vielen Marktstandln, die Devotionalien aller Art feilbieten, weist darauf hin, dass Rot (und a bissl Blau) in dieser Stadt eine gewichtige Rolle spielen.

Im Shopping-Wonderland des ersten Liverpool-Shops wird im Merch-Sortiment gustiert, während diverse kaufwütige Touristen den BIP-Gegenwert kleinerer afrikanischer Länder zur Kasse schleppen. Bevor morgen der große Tag kommt, wird in einem weiteren Pub Fulham gegen Charlton begutachtet. „Hapless Charlton defeated by convincing Fulham“ wie die Zeitungen am nächsten Tag schreiben werden. Am Matchtag geht’s dann per Spaziergang ca 3,5 km zum Stadion. Ein am Weg gelegenes Pub entpuppt sich als Fanbeisl-Kleinod – die Erinnerung an die 96 ist allgegenwärtig. Und übrigens der Wirt vom Pub erinnert stark an Mr. Klopek aus „Meine Teuflische Nachbarn“ (leider werden keine Sardinen & Brezeln gereicht – wer den Film halt schon mal gesehen hat).

Während man durch typisch englische Siedlungen mit gleichbleibenden Häuschen geht, die einem Minimundus-Architektenhirn entsprungen zu sein scheinen, sieht man plötzlich Anfield. Schön, dass man angekommen ist.

Rund ums Stadion ist der Auftrieb schon ziemlich beeindruckend – Tausende (!) Leute, wälzen sich rund ums Stadion, in den Fanshop, der das eine oder andere Mal kurzfristig wegen Überfüllung gesperrt werden muss (es bilden sich trotz hohen Touristenanteils aber diszipliniert stehende Schlangen, die jedem Queuing Fan Freudentränen in den Augen treiben würden). Der Family Park hinter dem Stadion füllt sich bereits bestens mit Eltern und Kindern – wie überhaupt auffällt: Jugendliche finden sich kaum. Entweder man sieht Eltern mit Kindern oder eher schon die Generation 40+ – die dunkle Kehrseite der Premier League Preisentwicklung macht sich in der Demographie der Stadionbesucher deutlich bemerkbar und irgendwie weiß man, dass eine Fanreise, wie man sie selbst unternimmt, an dieser Entwicklung nicht unschuldig ist.
Mit einer persönlichen und bisher vermiedenen Weltpremiere wartet der weitere Konsum alkoholischer Getränke auf: erstmals wird Bier aus einer Plastikflasche konsumiert. Abschließendes Fazit: naja!

Rein ins Stadion geht’s über Turnstiles allerengster Ausprägung (der durchschnittliche (und somit extrem übergewichtige) Besucher aus dem schönen US-Bundesstaat Mississippi hätte hier wohl schon ein großes Problem, allerdings auch eine große Freude mit der reichhaltigen Palette an deep fried cuisine). Bemerkenswert: die Taschenkontrolle war RLO-verdächtig. Sehr sympathisch.
Nachdem man den Frittier-Schwaden draußen entronnen ist, tauscht man sie gegen Frittier-Schwaden drinnen. Der Trend zur gesunden Ernäherung ist hier definitiv ein Mythos. Über enge Treppen geht’s raus und man sieht erstmals die Stätte der Sehnsucht und freut sich ganz damisch, dass man jetzt wirklich da ist.
Ab geht’s in die letzte Reihe unter’m Dach (während man sich fragt, wie zum Teufel, die am Dach befestigten Neonröhren in luftiger Höhe jemals ausgetauscht werden). Neben mir hat bereits ein chinesisches Pärchen Platz genommen – die junge Dame arbeitet vor dem Match noch eifrig an der Klischeeerfüllung und studiert am Tablet noch einen Mathematik-Kurs.
Während 15 Uhr näher rückt, drehen die Ladies von Liverpool mit dem vor kurzem errungenen Meisterpokal unter tosendem Applaus eine Ehrenrunde im mittlerweile vollbesetzten Stadion. Auch der Away-Support aus Hull beteiligt sich mit sympathischer Akklamation der Meisterinnen.
Am Kop wird zu Spielbeginn noch per Transparent „£nough is £nough“ auf die horrenden Eintrittspreise hingewiesen (wieder regt sich a bissl schlechtes G’wissen über die eigene Beteiligung an dieser Spirale).  Liverpool ist zu Beginn besser, so richtig will das Match aber dann auch den Funken nicht überspringen lassen. Der Kop übt sich in vornehmer Zurückhaltung, lediglich ab und zu lässt sich erahnen, was hier los ist, wenn der Support so richtig losgeht. Dafür sind die Hull Fans in ihrem Enthusiasmus erstaunlich. Aufgrund des mauen Heim-Supports fällt dann auch die eine oder andere Anspielung auf die angebliche Bibliotheksatmosphäre (ganz so schlimm war’s aber nicht). Der heimische Support weist mit deutlichem „Pssst“ darauf hin, dass in Büchereien gewisse Lautstärke-Regelungen einzuhalten sind.

Die erste Halbzeit bietet nicht allzuviel – irgendwie tröstlich, wenn man sieht, dass Fußball auch in der Premier League nicht unbedingt besser sein muss als auf heimischen Ostliga-Plätzen (dafür passieren die Fehler in höherem Tempo). In der Halbzeit – und das muss dann sein – wird der örtliche Lokus aufgesucht. True Austrian Style schmuggle ich mich in der Schlange ein wenig nach vor (es hat aber auch schon sehr pressiert, um mich für diese meine Unhöflichkeit zu entschuldigen). In einer Pissrinne klassischsten Zuschnitts wird die Blase erleichtert, während sich verzückt rollende Augen der Nebenstehenden von der allgemein gegenwärtigen Reduktion großen Blasendrucks zeugen. Und so wälzt sich dann der Strom derjenigen wieder raus, die das Geschäft verrichtet haben – wieder geht’s durch engste Öffnungen raus. Die typisch britische Enge des Stadions, sie erstreckt sich also auch auf die sanitären Einrichtungen.

Hälfte zwei wird dann auch nicht viel besser. Hull hat sogar die eine oder andere Möglichkeit – mit der Einwechslung von Coutinho wird das Spiel von Liverpool aber deutlich ansehnlicher. Gegen Ende bietet sich durch seine Läufe die eine oder andere Chance, ganz am Schluss vergibt Balotelli (der übrigens an jenem Tag sicherlich nicht so schlecht war, wie er in der Öffentlichkeit oft dargestellt wird – und das Urteil fällt als Zweifler an dieser Verpflichtung durchaus schwer) gar die ganz große Chance. Letzten Endes bleibt’s beim torlosen Remis (eine Verschwörung, die mich dazu zwingen wird, zurückzukehren, um einen Torjubel erleben zu dürfen).

Beim Rückweg ins Hotel freut sich der Reisebegleiter über ein ins Auge stechendes Vienna Pickerl am Straßenrand – es wird sofort mit einem Sportclub Sticker ergänzt. Was sein muss, muss sein.

Der Weg von und zur Abendgestaltung mit einem Club-Besuch (Mr. Scruff – interessantes Set übrigens) führt noch die erstaunliche Temperatur-Resistenz der lokalen Jugend vor. Man möchte den bibbernden Damen mitleidigerweise seine Jacke leihen, doch die jungen Damen (und die jungen Buam sowieso) haben ohnehin augenscheinlich vor das Kälteempfinden mittels Alkoholkonsum ein für alle Mal in die Knie zu zwingen.

Der nächste Tag wird dann der Heimreise gewidmet. Wieder geht’s mit einem Zug, dessen beste Tage schon länger hinter ihm liegen, gen Flughafen. Dort wird einem vor Augen geführt, warum man so gern hier war: selbst die Securities lassen sich bei der Kontrolle gern in ein Gespräch über Fußball verwickeln. Der Kontrolleur schildert sein Leiden als Leeds-Fan (zu diesem Zeitpunkt war Milanic sogar noch im Amt). Als Sportclub-, respektive Vienna Fan konnten wir hier auch die eine oder andere Anekdote beisteuern und mit Verweis auf ansonsten Austrian Third League Action das geäußerte Unverständnis über die Liverpool Anhängerschaft abschwächen.

Den Kontrast zur Freundlichkeit der britischen Airport-Security bietet dann übrigens deutsche Unfreundlichkeit am Flughafen in Frankfurt – und das war dann einfach nur mühsam.

Big up & nuff thx an dieser Stelle an die werte Reisebegleitung, Puppa R. – es war mir eine Freude!

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