Leo Hruska ist gestorben. Ein Nachruf von Markus Wailand
„In 25 Jahren hab ich kein Heimspiel verpasst. Und genau so lang hab ich auch kein Heimspiel gesehen.” Mit diesem Paradoxon hat sich Leo gern vorgestellt. Leo war der Klomann der Friedhofstribüne im Stadion des Wiener Sport-Club. Wir kannten uns über ein Jahrzehnt, zu einer engen Freundschaft hat sich unser Kontakt durch meine Arbeit an einem Dokumentarfilm über den Sport-Club und seine einzigartigen Fans entwickelt. Als ich damals eine neue Handynummer eintippte, stand kurz die Frage nach dem Nachnamen im Raum: „Schreib einfach Klomann, so kennt mich jeder.” Dabei war Leo Hruska weit entfernt davon, bloß Klomann zu sein. Er war der Nabel der Welt, zumindest der schwarz-weißen, Freitag Abends bei Heimspielen. Er reichte Papier zum trocknen der frisch gewaschenen Hände, geleitete weibliche Fans auf die Herrentoilette, wenn beim Damenklo die Schlangen lang waren und hatte für alle ein Lachen zur herzlichen Begrüßung. „Früher haben die Leute gesagt, I geh aufs Häusl. Des gibts nimmer. Heute heißt’s, ich geh‘ zum Leo. Und die Leut’ bleiben stehen, reden mit mir. Erzählen mir vom Match und fragen, wie geht’s dir mit deiner Krebserkrankung? Das ist das Schöne!”
Kaum jemand gelang es so eindrücklich wie Leo, seine Wirkungsstätte als das Zentrum des Universums zu beschreiben. Mit großem Stolz trug er auch stets ein Dress mit den Unterschriften der Kampfmannschaft – jede Saison gibt es ein neues Leibchen, zu Hause hatte er eine exklusive Sammlung dieser Einzelstücke. Und Leo hatte Lungenkrebs, neben anderen gesundheitlichen Problemen. Doch selbst in den ärgsten Krisen hatte er sich seine positive Ausstrahlung bewahrt – immer wieder nahmen wir im Krankenhaus Videobotschaften an „meine lieben Freunde vom Sport-Club“ auf, deren Botschaft stets lautete: „Ich lass euch nicht im Stich, wir sehen uns bald wieder!“ Aktuell wird das Sport-Club-Stadion renoviert, die alte Friedhofstribüne steht nicht mehr. Leos großes Ziel war, im neuen Stadion wieder auf „seinem“ Klo zu stehen. Dafür hat er schon die längste Zeit Material eingelagert, zuletzt mit seinem Sohn die elektrischen Händetrockner vom alten Klo abmontiert, damit sie dann im neuen Stadion nicht fehlen.
Die letzten Wochen verbrachte Leo viel Zeit im Krankenhaus, immer neue Komplikationen verzögerten die Heilung, dennoch ging es stets um die Zukunft: das neue Stadion, mit seiner Lebensgefährtin zusammenziehen, Kinder und Enkel treffen, heiraten. Am Freitag vor zwei Wochen war ich bei ihm, wir wollten die Umstände seiner Entlassung in häusliche Pflege besprechen, doch dann wurde es ein Abschied für immer. Die Hand, die er so vielen gereicht hatte, war plötzlich zu schwach geworden. Ich hab sie gehalten, als er ging; aber er wird weiter bei uns sein. War er bislang unterhalb der Friendhofstribüne, so wechselt er für die letzte Halbzeit auf den namensstiftenden Friedhof selbst.
Heute gibt es ein letztes Mal die Möglichkeit, „zum Leo zu gehen“. Um 13 Uhr am Hernalser Friedhof, statt Klopapier gibt’s Taschentücher. Oder vielleicht auch Klopapier. Und Leo, die Rampensau, hat sich einen möglichst großen Bahnhof für seinen letzten Auftritt gewünscht. Eingeladen sind alle, die sich ihm verbunden fühlen, in diesem Sinn: Baba Leo, forever in our hearts.